Heiliger Geist und Wirklichkeit by Klaus-Dieter Rieger

Heiliger Geist und Wirklichkeit by Klaus-Dieter Rieger

Autor:Klaus-Dieter Rieger
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2017-02-15T00:00:00+00:00


2.2.2.4.3Evangelium und Gerechtigkeit des Glaubens

Nach Schaeder hat das Evangelium als Inhalt des Wortes Gottes all das, was bisher über den Gott der Schöpfung, des Gesetzes und Gerichts bemerkt wurde, bei sich und – rechtverstanden – in sich. Angeregt v. a. durch die Kritik Brunners wendet sich Schaeder aber nun insbesondere der Rechtfertigung aus Glauben und damit dem articulus stantis et cadentis ecclesiae zu.1388 Leitend bleibt bei dieser Erörterung die Perspektive der Herrschaft Gottes.1389 Der tragende Sinn der Rechtfertigungslehre und damit des Evangeliums im Evangelium ist deshalb nach Schaeder gar nicht der, dass dem Sünder die Entlastung von der Schuld oder die Seligkeit des versöhnten Gewissens zuteil wird. Der tragende Sinn liegt vielmehr darin, dass der sündige und von Gott ferne Mensch unter die Leitung des Heiligen Geistes tritt bzw. den Heiligen Geist empfängt und so in die Gemeinschaft mit Gott versetzt wird. Aufhebung der Schuld kann deshalb nur als Voraussetzung nicht jedoch als Hauptgesichtspunkt der Rechtfertigungslehre gelten.1390

Rechtfertigung lässt sich also als diejenige Wirkung Gottes näher bestimmen, „durch welche er den Sünder mit sich in Gemeinschaft versetzt. Das Wesen dieser durch den Empfang des Geistes hergestellten Gemeinschaft ist aber darin belegen, daß der Wille Gottes oder die Herrschaft Gottes sich im Menschen durchsetzt“.1391 Anders formuliert heißt dies: Rechtfertigung ist pneumatisch-kreatives Beziehungsgeschehen, näherhin geistgewirkte Aufhebung der relationsnegierenden Selbstfixierung des Menschen und Aufrichtung der freimachenden Herrschaft Gottes im Menschen durch den Heiligen Geist.

Die objektive Voraussetzung der so verstandenen Rechtfertigung liegt nach Schaeder dabei in der „Christustatsache“, bzw. darin, „daß der Mensch Jesus Christus der Träger des Geistes Gottes ist, weiter, daß er im Geiste Gottes der Mittler der Versöhnung ist, endlich, daß er unter der Voraussetzung der Versöhnung, auf dem Wege der Rechtfertigung, im Geiste Gottes die Herrschaft im sündigen Menschen […] gewinnt.“1392 Die subjektive Form aber, wie Rechtfertigung sich am Menschen vollzieht, heißt – so Schaeder – Glaube oder ist der Glaube.1393

Im Evangelium dominiert – wie Schaeder nun die „Christustatsache“ näher präzisieren kann – schlechthin das Zeugnis von Jesus als dem Träger des Geistes Gottes und damit von Gott in Christus. Denn wäre dieser Mensch Jesus nicht Träger des Geistes Gottes, dann repräsentierte er nicht das Wort Gottes an uns. Der Geistbesitz Jesu setzt dabei die Inkarnation Gottes, d. h. genauer des Geistes Gottes, in Jesus Christus voraus: „Nur weil Jesus die schöpferische Wirkung des Geistes Gottes ist, […] nur weil das göttliche Geistleben in ihm in die menschliche Seinsweise eingetreten und zum Personleben eines Menschen geworden ist, nur deshalb hat er den Geist Gottes, wirkt er im Geist, kann er […] in der schöpferischen Bewirkung des Glaubens Gottes Herrschaft in der Geschichte aufrichten.“1394 Diese Teilhabe Jesu Christi an der „Herrscherqualität Gottes“ aber lässt nach Schaeder – in Unterschied zu Barth – etwa die Frage nach der jungfräulichen Geburt Jesu als untergeordneten und sekundären Nebenaspekt erscheinen:1395 „Beschäftigt sich die Theologie des Glaubens überhaupt mit dem geschichtlichen Entstehen Jesu, dann wird sie sich mit der Vorstellung, daß dieser Mensch aus dem Geiste Gottes stammt, daß er Gottes Geisteswirkung in der Geschichte sei, zusammenschließen müssen.



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